15. Januar 2002

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Bau einer neuen Eisenbahn in Qinghai

TIN erhielt einen detaillierten Augenzeugenbericht über eine einspurige Eisenbahn, die derzeit von der Kreisstadt Huangyuan aus in Richtung Süden zur Tibetisch Autonomen Präfektur Tsolho (chin. Hainan) in der Provinz Qinghai hin gebaut wird. In der offiziellen chinesischen Presse scheint diese Eisenbahn nicht erwähnt zu werden. Eine Eisenbahnverbindung zur Tsolho TAP hätte hinsichtlich der Erschließung und Entwicklung dieser Gegend einschneidende Auswirkungen - schon jetzt besteht ein wesentlicher Prozentsatz der Bevölkerung aus chinesischen Zuwanderern.

In dem Augenzeugenbericht ist die Rede vom Bau von Tunnels entlang der Fernstraße, die südlich der Kreisstadt Huangyuan (tib. Tongkor) verläuft und in die Tsolho Präfektur führt. Diese Straße folgt dem Flußbett eines Nebenflusses des Xichuan (der in den Gelben Fluß mündet), ehe sie die Präfektur Tsolho erreicht, wo sie sich in Daotanghe, etwa 40 km nördlich der Kreisstadt Chabcha (chin. Gonghe/Qiabuqla), teilt. Ein Zweig verläuft westlich als National Highway 109 nach Golmud und dann nach Lhasa und der andere als National Highway 214 südwärts nach Chabcha und Chamdo. Die Eisenbahntunnels wurden in einem schluchtartigen Abschnitt des Flußtales südlich der Kreisstadt Huangyuan gesichtet. Eine Karte dieser Gegend ist auf der TIN website unter www.tibetinfo.net/reports/trecon/qinghaimap_1.htm zu finden.

Dem Bericht zufolge befinden sich die Arbeiten an der Bahnstrecke noch im Anfangsstadium, verglichen mit den weiter fortgeschrittenen am Bau einer neuen Schnellstraße in der Provinz - eine vierspurige Autobahn, die, wenn sie fertig ist, Lanzhou (Hauptstadt der Provinz Gansu) über Xining und Golmud mit Lhasa verbindet. Der Augenzeugenbericht über die Infrastrukturarbeiten unterscheidet zwischen dem Bau von Eisenbahntunnels und dem Bau von Tunnels für den Straßenverkehr aufgrund der unterschiedlichen Breite und Höhe der Tunneleingänge, der Form der Tunnelüberdachung und der Höhe, auf der sie angelegt werden (Eisenbahnschienen können ihre Richtung oder ihre Steigung nicht so schnell wie Straßen ändern). Einer der Beobachter kommentierte: "Die Breite des für die Schnellstraße ausgehobenen Straßenbettes zeigt deutlich, verglichen mit den viel engeren Öffnungen für die Eisenbahntunnels, daß die Tunnels nichts mit dem Straßenbauprojekt zu tun haben".

Soweit TIN in Erfahrung bringen konnte, wurde der Eisenbahnbau südlich von Huangyuan in offiziellen Quellen nicht erwähnt, und ist das Endziel der Eisenbahnlinie nicht bekannt. Die Strecke könnte eine von der Xining-Golmud Eisenbahnlinie ausgehende kurze Nebenbahn in die Präfektur Tsolho sein, um die industrielle Entwicklung in der Präfektur anzukurbeln (was den Transport von Rohstoffen, Waren und Menschen erleichtern würde). Es gibt drei solcher Nebenstrecken, die bereits auf Provinzkarten eingetragen sind (Xining-Datong; Ha'ergai-Reshui Kohlenbergwerk und Chahanruo-Chaka Salzsee (tib. Tsakha)). Sollte die Eisenbahnlinie bis Chabcha führen, was wahrscheinlich ist, wird sie dem Verlauf des Machu (Huanghe, Gelber Fluß) dicht folgen, an dem die riesengroßen, vom Staat finanzierten Staudämme Lijiaxia und Longyangxia mit den dazugehörigen Kraftwerken gebaut werden. Die Gebiete von Lijiaxia und Longyangxia wurden von ihrer jeweiligen Distriktverwaltung abgelöst und als spezielle "Administrativkomitees" ausgewiesen. Lijiaxia im Osten von Tsolho, das an die Malho (chin. Huangnan) TAP und Tsoshar (chin. Haidong) Präfektur angrenzt, untersteht unmittelbar der Zuständigkeit der Provinz, während Longyangxia bei Chabcha eine Verwaltungseinheit auf Distriktebene ist (Statistisches Jahrbuch von Qinghai 2000). Beide Gebiete besitzen regionale Schlüsselbedeutung, was die industrielle Entwicklung betrifft (eine Karte mit dem möglichen Verlauf der Bahnstrecke nach Lijiaxia steht unter www.tibetinfo.net/reports/recon/qinghaimap_2.htm) zur Verfügung.

Der Tunnelbau südlich von Huangyuan könnte auch zum Anfang einer zweiten Eisenbahnstrecke gehören, die Xining mit dem Tsakha Salzsee verbindet und parallel dem National Highway 109 südlich des Kokonor Sees (Qinghai Hu) durch Tsolho bis zur Hauptstrecke der Xining-Golmud Bahnlinie in Chahanruo verlaufen würde, oder eine Alternativstrecke ganz bis Golmud, welche die Präfektur Tsonub (chin. Haixi) durchqueren würde. Die jetzige Eisenbahnlinie nach Golmud verläuft nördlich des Sees westwärts nach Terlenkha (chin. Delingha) und wendet sich dann südwestwärts nach Golmud. Das Vorhandensein einer zweiten Eisenbahnlinie mit einer Schleife entweder nach Tsakha oder Golmud würde das Potential für die Bewegung von Gütern und Personen, einschließlich Militärpersonals und militärischer Ausrüstung, in der Region ungeheuer steigern.

Was für einen Verlauf die Strecke auch immer nehmen wird, ihre Auswirkung auf die Tsolho TAP wird groß sein. Tsolho ist die bevölkerungsstärkste aller tibetisch-autonomen Präfekturen von Qinghai und wurde schon immer mehr als die übrige Provinz von Einwanderung und industrieller Entwicklung in Mitleidenschaft gezogen, weil sie so nahe an Xining und Haidong liegt und relativ leicht von dort aus zu erreichen ist. Die für Ackerbau geeigneten Landstriche im nördlichen Teil der Präfektur machten Tsolho zu einem wichtigen Weizenanbaugebiet, während seine Ressourcen an Wasserkraft und Mineralschätzen den staatlichen Plänen für Rohstoffabbau und Industrialisierung folgend erschlossen werden. Dem Zensus der VR China von 1990 zufolge war die Bevölkerung Tsolhos zu 54 % tibetisch. Die verbesserte Infrastruktur einhergehend mit den staatlichen Plänen zur Rohstoffgewinnung und Entwicklung urbaner Zentren wird ganz gewiß eine weitere Einwanderung chinesischer Arbeitnehmer in die Gegend bewirken.

Dieselben Beobachter berichteten von den Arbeiten an der neuen vierspurigen Schnellstraße, die Lanzhou mit Xining und Golmud verbinden soll. Der Abschnitt zwischen Sining und Golmud wird dem Verlauf der gegenwärtigen Straße (#109) südlich des Kokonor Sees über den Distrikt Tulan (chin. Dulan) folgen, sie wird jedoch ein beträchtlich größeres Verkehrsvolumen bei höherer Geschwindigkeit bewältigen können. Ein Teil der Strecke, etwa derjenige südlich von Huangyuan, ist neu, während in anderen Abschnitten die bestehende Straße einfach verbreitert und befestigt wird. Die neue Hauptverkehrsstrecke von Huangyuan Richtung Süden bis Daotanghe in Tsolho soll noch dieses Jahr fertig werden (Qinghai Daily, 27 November 2001). Dies könnte zwar eine etwas optimistische Zielsetzung sein, weil laut dem Augenzeugenbericht noch "ein ungeheurer Arbeitsaufwand zu leisten ist". Der erste Abschnitt der Xining-Lanzhou Schnellstraße zwischen Xining und Distrikt Ping'an (tib. Tongkhakhar) wurde im Juli 2001 offiziell "für den Verkehr eröffnet" (tibetinfor.com, 4 July 2001), aber scheint noch nicht voll in Betrieb zu sein.

Allgemein betrachtet man den Aufbau der Infrastruktur in tibetischen Gegenden der VR China als ausschlaggebend für die Verwirklichung der Pläne des Staates, die westlichen Regionen Chinas zu erschließen. Die chinesische Regierung treibt mit großer Energie den Bau der Golmud-Lhasa Eisenbahnlinie voran, welche die tibetische Hauptstadt dann effektiv über die Stadt Lanzhou in der Provinz Gansu mit dem chinesischen Hinterland verbinden wird. Der Vize-Minister für Eisenbahnwesen Sun Yongfu sagte, der erste Abschnitt des Schienenstrangs von Golmud nach Wangkun (etwa 150 km) würde bis Ende 2002 verlegt sein. Bis Ende 2006 würden dann die Schienen von Wangkun bis zur Distriktstadt Amdo (chin. Anduo) in der Präfektur Nagchu (chin. Naqu), TAR, (rund 550 km) verlegt, wie es heißt, dem schwierigsten Abschnitt der Eisenbahnstrecke wegen der Höhenlage und dem Permafrostboden. Die Strecke von Amdo nach Lhasa (etwa 440 km) würde bis November 2006 gelegt werden, so daß "Ende Juni 2007 ein vollkommenes Eisenbahnsystem vorhanden sein wird" (People's Railway News, 20 November 2001).

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